33 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung untersuchen die syrische Autorin Dima Albitar Kalaji und die in Ostdeutschland aufgewachsene Schriftstellerin Annett Gröschner im Projekt Lebendiges Archiv – Vom Umgang mit Diktatur die Diktaturerfahrungen von Menschen, die in Syrien und/oder in der DDR gelebt haben. In ihr künstlerisches Forschungsprojekt fließen Erzählungen von Menschen ein, die mit Personen aus dem jeweils anderen Land in engem Kontakt standen.
Lebendiges Archiv ist aus dem Projekt Geruch der Diktatur entstanden, das Dima Albitar Kalaji und Annett Gröschner 2021 initiierten.
Die beiden Autorinnen beleuchten in ihrer Arbeit im Stasi-Unterlagen-Archiv im Bundesarchiv und in Gesprächen mit Zeitzeug*innen die damaligen Student*innen-Austausche zwischen Syrien und der DDR, die Zusammenarbeit der Geheimdienste und die ideologische Nähe der beiden Diktaturen. Das Ziel ihrer Untersuchung ist die Rückbindung der Archivfunde und der persönlichen Lebensgeschichten an die Verflechtungen der politischen Systeme in Syrien und der DDR ab den 1950ern bis Ende der 80er Jahre. Lebendiges Archiv knüpft an Albitar Kalajis und Gröschners Arbeit an, die sie bereits 2021 im Auftaktprojekt Geruch der Diktatur initiierten.
Ihre Herangehensweise im Projekt ist eine künstlerisch-dokumentarische, die Einzelfälle betrachtet und ihr Augenmerk sowohl auf die vielschichtigen Wirkungen diktatorischer Gewalt als auch auf die subtilen Formen und Mittel des Protests richtet. Personengruppen von Interesse sind dabei damalige Studierende, Wissenschaftler*innen, Diplomat*innen sowie Liebespaare, die zu jener Zeit in Syrien und/oder der DDR lebten. Im Rahmen ihrer Forschung setzen sich Albitar Kalaji und Gröschner auch mit ihrem persönlichen Erleben der Arbeit im Archiv und den Gesprächen mit den Zeitzeug*innen auseinander. Die Atmosphäre in den Räumen zwischen den Akten, Gerüche und Archivfunde lösen Erinnerungen und Emotionen aus. In Träumen verarbeiten die Autorinnen Situationen, Bilder und Erinnerungen aus dem Leben in der Diktatur. Die Projektergebnisse stellen Dima Albitar Kalaji und Annett Gröschner in Texten und in zwei Podcast-Episoden auf dieser Webseite vor. Dabei führen Annett Gröschner und Dima AlBitar Kalaji Gespräche mit syrischen und deutschen Zeitzeug*innen, die in beiden Systemen gelebt und/oder mit beiden Diktaturen Erfahrungen gesammelt haben.
Ein weiterer Schwerpunkt im Projekt Lebendiges Archiv ist die Vermittlung dieser künstlerisch-dokumentarischen Untersuchungsweise an Schüler*innen zwischen 15 und 18 Jahren. Auf Schloss Genshagen treffen sich in den Herbstferien 2023 (23.10- 25.10) zehn Jugendliche in Brandenburg, um mit den Autorinnen und mit Dr. Juliane Haubold-Stolle, Wissenschaftliche Referentin der Direktion, Stiftung Berliner Mauer, sowie der Filmemacherin Schokofeh Kamiz zu lernen, wie man themenbezogen in einem Archiv recherchiert, Interviews mit Zeitzeug*innen führt und einen Podcast produziert. Die Ergebnisse und Podcast-Episoden dokumentieren sie anschließend auf der Projektwebseite in einem digitalen Reader.
„Lebendiges Archiv – Vom Umgang mit Diktatur“ ist ein Projekt von WIR MACHEN DAS, gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Der Vermittlungsteil „Offene Ohren, lebendiges Archiv: der junge Podcast“ im Projekt entstand in Kooperation mit der Stiftung Genshagen und wurde gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms Demokratie Leben!